Eine sorgende Stadtgesellschaft

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem rasanten Wandel. Der Abstand zwischen Arm und Reich wird immer größer. Prekäre Verhältnisse und die Angst vor sozialem Abstieg nehmen zu. Das gefährdet unser demokratisches Zusammenleben. Für soziale Gerechtigkeit und Teilhabe im kommunalen Bereich zu sorgen, ist eine wesentliche Aufgabe für die nächsten Jahre. Wir müssen deutlich machen, dass wir niemanden zurücklassen. Wir wollen eine Stadt, die allen ein würdevolles Leben und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Dabei achten wir die Diversität und unterschiedlichen Lebensentwürfe.

Unterstützung für alle

Die Braunschweiger Gesellschaft ist vielfältig. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass alle die Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Der Stigmatisierung marginalisierter Gruppen stellen wir uns entschlossen entgegen. Im Bereich der Grundsicherung und des Jobcenters beispielsweise wollen wir im Rahmen der kommunalen Möglichkeiten den Auf- und Ausbau einer wertschätzenden, auf die einzelne Person wirklich eingehenden Hilfe fördern.

Obdachlosigkeit

Für obdachlose Menschen wollen wir ein Programm schaffen, das unmittelbar und niedrigschwellig ein menschenwürdiges Dach über dem Kopf in Notschlafstellen und Übergangseinrichtungen anbietet. Daher setzen wir uns für Einzelunterbringung in den bestehenden Obdachlosenunterkünften sowie deren Ausstattung mit kostenfreiem WLAN ein. Wir wollen hier auch aus humanitären Beweggründen diejenigen vorübergehend aufnehmen, die nach dem Sozialrecht in Braunschweig nicht leistungsberechtigt sind. Wir wollen die Zentrale Stelle für Wohnraumhilfen (ZSW) ausbauen, damit alle so schnell wie möglich dauerhaft und dezentral in Wohnungen untergebracht werden können und bedarfsgerecht weiter betreut werden.

Sexarbeit

Durch die bevorstehende Eröffnung eines bordellartigen Betriebs in Gliesmarode ist die Diskussion um den Umgang mit Sexarbeit in Braunschweig neu entflammt. Wir Grüne setzen uns für das Selbstbestimmungsrecht von Sexarbeiter*innen ein und positionieren uns klar gegen Tabuisierung und Stigmatisierung von Sexarbeit. Wir wollen sichere Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen in Braunschweig in den Fokus nehmen und Schutzräume für sie schaffen.

Sexarbeiter*innen steht eine wertfreie, offene Beratung zu. Daher setzen wir uns für eine aufsuchende Sozialarbeit sowie für ergebnisoffene, mehrsprachige Beratungsangebote sowohl für Sexarbeiter*innen als auch für deren Kinder ein. Wir wollen eine niedrigschwellige Anlaufstelle in der Nähe der Bruchstraße schaffen. Schutzkonzepte sowie ein Netz von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Sexarbeiter*innen wollen wir ausbauen und die Angebote nachhaltig für die Zukunft aufstellen. Dafür wollen wir die Zuschüsse für entsprechende Vereine, Verbände und Organisationen aufstocken. Wir wollen zudem die Vernetzung zwischen der Antidiskriminierungsstelle und Beratungsstellen für Sexarbeiter*innen fördern, uns für die bedarfsgerechte Umsetzung und Ausstattung des Runden Tischs „Sexarbeit“ und für eine aktive Suche nach einer Gynäkolog*in für das Gesundheitsamt einsetzen.

Erwachsenenbildung

Wir sehen sowohl die berufliche als auch die außerberufliche Erwachsenenbildung als enormes Potenzial für mehr Chancengleichheit und für verwirklichte Lebensträume. Im Bereich der außerschulischen Bildung für Erwachsene spielt für uns vor allem die Stärkung derer eine Rolle, die es auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft schwer haben. Wir wollen zweite und dritte Chancen für alle Erwachsenen ermöglichen.

Dazu zählen Alphabetisierungs- und Deutschkurse. Der Zugang zu diesen muss prinzipiell allen Interessierten offenstehen. Daher müssen Bildungseinrichtungen barrierefrei gestaltet werden und ihr Angebot bedarfsorientiert ausgestaltet sein, beispielsweise im Hinblick auf Länge und Tageszeit der Kursangebote sowie Kursgrößen. In dieser Hinsicht wollen wir auch die freien Träger stärken.

Um diese Ziele erreichen zu können, setzen wir uns für ein integriertes Konzept für lebenslanges Lernen ein. Dieses soll als Grundlage für eine konsequente Weiterentwicklung und bedarfsorientierte Ausgestaltung der Braunschweiger Bildungslandschaft für Erwachsene dienen. Wir wollen das Bildungsbüro für diesen Bereich stärken.

Gesundes Braunschweig 

Die Corona-Krise führt uns schmerzlich vor Augen, wie wichtig Gesundheitsversorgung und vorsorge sind. Wir Grüne sehen und behandeln das gesamte öffentliche Gesundheitswesen als wichtigen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, bei dem der Mensch im Mittelpunkt stehen muss. Öffentliche Daseinsvorsorge verstehen wir grundsätzlich als Querschnittsaufgabe. Um Zivilisationskrankheiten präventiv entgegenzutreten, wollen wir ausreichend attraktive öffentliche Bewegungsräume zur Förderung eines bewegten Alltags schaffen.

Wir sind dankbar, mit dem Klinikum Braunschweig eins der wenigen Krankenhäuser in Niedersachsen vor Ort zu haben, das fast alle wichtigen Fachbereiche der Medizin abdeckt. Wir freuen uns außerdem über einige Erfolge der städtischen Gesundheitspolitik der letzten Jahre, wie die Einrichtung der dringend überfälligen Hebammenzentrale. Doch um unsere Ziele zu erreichen, muss noch Enormes geleistet werden. Wir wollen für Braunschweig die Gesundheitsversorgung nachhaltig stabilisieren und die Arbeitsbedingungen in diesem Sektor deutlich verbessern. Dabei legen wir ein besonderes Augenmerk auch auf die pflegerische Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Deshalb wollen wir sicherstellen, dass eine ausreichende Zahl an Pflegekräften mit einer Vertiefung in der kinderheilkundlichen Versorgung in Braunschweig ausgebildet wird.

Klinikum Braunschweig

Das Klinikum Braunschweig muss in öffentlicher Hand bleiben und dafür ausreichend finanziert werden. Wir wollen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das Klinikum als kommunales Klinikum zu erhalten. Wir fordern das Land Niedersachsen auf, seiner Verpflichtung nachzukommen und die investiven Kosten mindestens im Landesdurchschnitt zu übernehmen. Wir sind bereit, die darüber hinausgehenden Kosten sowie operative Defizite über den städtischen Haushalt auszugleichen. Wir drängen zudem auf eine stärkere regionale Vernetzung und auf den Aus- und Umbau des Klinikums zum starken Ausbildungsstandort und zum Gesundheitszentrum. Es soll stationäre mit ambulanter Versorgung verbinden und so wirtschaftlich nachhaltiger aufgestellt werden.

Pflegepersonal und Kapazitäten der Gesundheitsverwaltung

Für das Personal in der Pflege wollen wir eine regionale Kampagne für Berufsrückkehrer*innen initiieren und geeignete Maßnahmen für die Rückkehr in den gelernten Beruf entwickeln. Ebenso wollen wir weitere Menschen für Pflege- und Betreuungsberufe durch vereinfachte Zugangswege und Qualifizierungsmaßnahmen gewinnen. Wir wollen im Rahmen unserer Möglichkeiten die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern und die Qualität in der Patient*innenversorgung erhöhen. Dazu gehören eine bedarfsgerechte und am Patient*innenwohl orientierte Personalbemessung und tarifvertragliche Arbeits- und Lohnbedingungen, nicht zuletzt auch, um das Pflegepersonal in diesen Berufen zu halten.

Die kommunalen Gesundheitsämter haben bis zur Corona-Krise in Bedeutung und Wahrnehmung ein unterfinanziertes Schattendasein geführt, so auch das Gesundheitsamt Braunschweig. Wir wollen jede Möglichkeit im Rahmen des Tarifvertrags zur besseren Bezahlung und Aufwertung des medizinischen Personals für das Gesundheitsamt nutzen, um vakante Stellen schnell und gut besetzen zu können.

In der Stadtverwaltung braucht es ein übergreifendes Gesundheitskonzept und eine umfassende Gesundheitsplanung basierend auf einem Gesundheitsmonitoring. Wir wollen gesundheitspolitische Richtlinien für die Stadt Braunschweig erarbeiten. Dazu wollen wir ein Querschnittsgremium für Gesundheit in der Braunschweiger Stadtverwaltung einrichten, das engen Kontakt zu allen Fachbereichen hält.

Die Hebammenzentrale und das Programm „Frühe Hilfen“, das junge Familien unterstützt, wollen wir nach entsprechender Evaluation bedarfsgerecht ausbauen.

Drogenpolitik

Wir möchten die aktuelle Politik der Repression weitestgehend durch Präventionen und Hilfsangebote ersetzen. Der erste Schritt sollte eine Enttabuisierung des Themas sein, damit offen über eine bestmögliche Drogenpolitik diskutiert werden kann. Um den Betroffenen wirksame Hilfe zu ermöglichen, können Konsumräume eine wichtige Rolle spielen. Während die Drogen auf Verunreinigung geprüft werden, können Sozialarbeiter*innen zu Konsument*innen Kontakt aufnehmen mit dem Ziel, Hilfsangebote zu vermitteln. Streetworker*innen können auch auf öffentlichen Plätzen Konsument*innen ansprechen und auf Hilfsangebote aufmerksam machen. Den Einsatz dieser Instrumente wollen wir für Braunschweig prüfen.

Alter(n) in Braunschweig

Mit dem demografischen Wandel steigt auch in Braunschweig der Anteil älterer und unterstützungs- und pflegebedürftiger sowie von Altersarmut betroffener Personen.

Gleichzeitig bleiben viele Menschen länger gesund, aktiv und selbstbestimmt als früher. Braunschweig weist schon heute ein vielfältiges Angebot für und von älteren Menschen auf. Seniorenrat, Seniorenring, Begegnungsstätten und Selbsthilfeinitiativen ermöglichen Partizipation und Aktivität. Aber es braucht vielfach Veränderung, um bedarfsgerecht auf die Bedürfnisse der „neuen Alten“ eingehen zu können. Wir setzen uns für die Förderung von Selbstbewusstsein, Eigenverantwortung und Würde der älteren Generation ein.

Dafür braucht es eine sorgende Stadt. Wir wollen für Braunschweig eine bessere Abstimmung der Stadt- und Sozialplanung sicherstellen, mitsamt einer aktivierenden Altenhilfe- und Pflegeplanung als verlässlichen Rahmen für die Weiterentwicklung von Angeboten und Hilfen.

Passende Wohnformen im Quartier

Bei der Planung von Betreuungs-, Pflege- und Unterstützungsangeboten muss eine Orientierung am Quartier stattfinden. Im Alter sollen alle Menschen in ihrem Lebensumfeld und ihrer Nachbarschaft weiterleben können, ob im eigenen Zuhause oder einer wohnortnahen Alten- und Pflegeeinrichtung. Daher setzen wir uns dafür ein, dass der Altenhilfe- und Pflegeplan mit einem speziellen Schwerpunkt auf notwendige Maßnahmen in den Quartieren aktualisiert wird. Daraus wird ein Umsetzungsplan für exemplarische Modellquartiere entwickelt.

Wir wollen kleinräumigen neuen Wohnformen, Senior*innen-WGs, der Tagespflege, Betreuungsgruppen und ambulanten Hilfen den Vorrang vor Pflegeheimen einräumen. Die soziale Infrastruktur muss auf eine größere Vielfalt hin kultursensibel ausgerichtet werden. Die Stadt soll im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Bereitstellung von geeignetem Wohnraum ermöglichen und diese bei der Planung neuer Quartiere berücksichtigen.

Beratung und Unterstützung

Zudem wollen wir vielfältige Beratungsangebote stärken, die zum Beispiel pflegende Angehörige und den Übergang in den Ruhestand sowie die Arbeit im Alter aktiv begleiten. Projekte und Beteiligungsformen wie „Anti-Rost“, die die Aktivität älterer Menschen ermöglichen, wollen wir nachhaltig finanzieren.

Wir wollen den öffentlichen Raum so gestalten, dass er soziale Teilhabe und Begegnung ermöglicht. Den altersgerechten und barrierefreien Ausbau des ÖPNV wollen wir mit vielfältigen Maßnahmen vorantreiben.

Die kommunalen Möglichkeiten zur Minderung von Altersarmut, wie zum Beispiel das Sozialticket, planen wir auszubauen. Außerdem wollen wir bezahlbaren Wohnraum erhalten und neu schaffen.

Ehrenamt anerkennen und stärken

Viele Menschen haben auch während der Corona-Pandemie bewiesen, dass auf ihr ehrenamtliches Engagement Verlass ist: als Einkaufshilfe, in der Durchführung von Tests in Pflegeheimen, bei der Kindernotbetreuung, als Nachbarschaftshilfe oder in zahlreichen anderen Bereichen. Sowohl in Krisenzeiten wie auch im Alltag bilden Ehrenamtliche das Fundament unseres Zusammenlebens.

Ehrenamtliches Engagement ist unersetzbar – der Wert liegt in ihm selbst. Wir möchten deshalb zusätzlich weitere Verbesserungen für ehrenamtliches Engagement etablieren. Dazu zählt für uns, Träger*innen der Ehrenamtskarte weitere Vorteile zu ermöglichen. Die kostenlose ÖPNV-Nutzung an Wochenenden oder die Gewährung eines Mobilitätsguthabens sind Beispiele für Vorteile, die die Ehrenamtskarte noch attraktiver machen.

Ebenso setzen wir uns für eine Verbesserung von Schulungs- und Fortbildungsangeboten ein. Insgesamt wollen wir die Strukturen stärken, in denen Ehrenamtliche agieren. Dazu gehören auch jene Initiativen, die die Vernetzung und Vermittlung von Ehrenamtlichen verwirklichen.

Inklusion und Teilhabe

Unser Ziel ist eine inklusive Gesellschaft mit entsprechender Infrastruktur. Menschen mit Behinderungen müssen mit ihren individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt inklusiver Politik stehen.

In Braunschweig findet aktuell ein breiter Dialog zum Thema Inklusion statt, in dem ein kommunaler Aktionsplan (KAP) zum Thema Inklusion erarbeitet wird. Die Grundlage hierfür bildete die 1. Braunschweiger Inklusionskonferenz, bei der wir uns aktiv eingebracht haben. Wir wollen den kommunalen Aktionsplan aufmerksam begleiten und uns dann dafür einsetzen, dass die Ergebnisse umgesetzt werden. Dies wird ein Querschnittsthema sein.

Die Stadtverwaltung und die kommunalen Betriebsgesellschaften müssen die gesetzliche Quote bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen endlich erfüllen. Damit übernehmen öffentlich finanzierte Arbeitsplätze eine Vorbildfunktion für private Unternehmen.