Neue Wege für effektive und grundrechtsschonende Ermittlungsmethoden
Immer wieder Terror. Wieder schauen wir betroffen und entsetzt die Bilder an, die uns im Internet und im Fernsehen geliefert werden. Die Bilder machen betroffen. Die Bilder lassen Zorn, Wut und Mitgefühl in uns aufsteigen.
Zugleich sind wir heil froh, dass der Terroranschlag nicht in unserer Stadt war. Gleichzeitig beschleicht uns ein beunruhigendes Gefühl: Muss ich mit einem Anschlag in Deutschland, gar in Braunschweig, rechnen?
Eine Antwort darauf ist schwierig zu geben. Einerseits hat international die Bedrohungslage zugenommen, andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, dass es gerade Sie oder mich trifft, ziemlich gering. Im Gedächtnis bleibt die Absage des Braunschweiger Schoduvel 2016. Was mache ich jetzt? Ich könnte emotional in eine ständige Angst verfallen oder versuchen rational damit umzugehen.
Keine kollektive Verdächtigung sozialer Gruppen
Es gibt jetzt eine „Alternative für Deutschland“, die gegen die islamistischen Terrorgefahr in Deutschland ins Feld zieht. Die Rhetorik mancher Mitglieder der AfD grenzt an eine kollektive Verdächtigung aller in unserem Land lebenden Muslime. Das ist erbärmlich. Dagegen verwehre ich mich!
Nicht alle Deutschen sind Nazis. Es gibt eine kleine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern die mit dem Gedankengut der Nazis sympathisieren. Eine kleiner Anteil dieser Gruppe wird sogar gewaltbereit eingestuft.
Es gibt auch die so genannten Reichsbürger, also hier lebende deutsche Staatsbürger, die die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht anerkennen. Sie meinen das heute hier geltende Recht und Gesetz gelte nicht für sie. Ein Teil dieser Reichsbürger wird als radikal und sehr gewaltbereit eingestuft.
Es gibt auch links-autonome, von denen eine kleine Gruppe als radikal und gewaltbereit eingestuft wird.
Sie sind nur eine kleine Auswahl potenzieller Gefahren für unsere freiheitliche Gesellschaft.
Grundsätzlich unterscheiden wir Deutschen uns nicht von anderen Gesellschaften. In allen Gesellschaften gibt es soziale, politische und religiöse Strömungen, die zum Teil gegensätzliche Interessen verfolgen. In den meisten Fällen werden diese im Rahmen der gesellschaftlichen Meinungsbildung diskutiert – wenn auch in autokratisch oder diktatorisch geführten Staaten leider nicht öffentlich. Alle Gesellschaften suchen nach Wegen, mit den Extremen umzugehen.
Ich möchte deshalb sehr dafür werben, dass die große Mehrheit der in Deutschland und Braunschweig lebenden Muslime ganz genauso in Frieden und Freiheit leben wollen, wie Sie und ich!
Ausweitung der Überwachung stellt alle unter Generalverdacht
Mit jedem erbärmlichen Anschlag wird der Ruf nach mehr Sicherheit und Überwachung laut. Mehr Kameras im öffentlichen Raum, Vorratsdatenspeicherung, u. v. m. werden als Instrumente eingefordert. Sie mögen das subjektive Sicherheitsgefühl vielleicht erhöhen, präventiv wirksam sind sie nicht.
Nehmen wir ein banales wie trauriges Beispiel: Bei Fußballspielen sind Pyrotechnik und Feuerwerkskörper verboten. Es gibt strenge Sicherheitsvorkehrungen, sogar Personenkontrollen. Trotzdem kommt es bedauerlicher Weise immer wieder zu dramatischen Szenen in Fußballstadien. Trotz höchster Überwachung – sogar mit laufenden Kameras – gibt es Gewaltszenen.
Ich frage mich außerdem, was die Kameras leisten sollen. Verbirgt sich hinter dem Anbringen von Kameras die naive Vorstellung, dass rund um die Uhr Mitarbeiter der Polizei auf Bildschirme starren und im vielleicht vorhersehbaren Fall einer Attacke einen Mannschaftswagen in die Stadt schicken? Das kann niemand leisten.
Mit der Vorratsdatenspeicherung werden Telekommunikationsdaten und somit Standortdaten aufgezeichnet. Es lassen sich so im Nachhinein Bewegungsprofile von Menschen erstellen. Diese verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht mit Europäischen Recht vereinbar (Urteil vom 8.4.2014). In der Bundesrepublik sind Telekommunikationsunternehmen gesetzlich verpflichtet, Rufnummer, Zeitpunkt und Dauer von Anrufen sowie IP-Adressen beim Surfen im Netz 10 Wochen lang zu speichern.
Wenn auf Grundlage von Recherchen der Sicherheitsbehörden ein begründeter Verdacht gegen Einzelpersonen vorliegt, dann kann mit richterlichem Beschluss eine gezielte und vorbeugende Datenüberwachung erfolgen.
Vertrauen in Sicherheitsbehörden
Ich habe ein großes Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden. Sie arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen. Bei einer konkreten Gefahrenlage reagieren sie. Die Absage des Braunschweiger Schoduvel 2016 oder die Unterbrechung von „Rock am Ring“ in diesem Sommer sind richtige Reaktionen.
Die Braunschweiger Ratsfraktion der AfD forderte mit einem Ratsantrag (Vorlage 17-04695) die Prüfung zur Aufstellung von Pollern und anderen geeigneten Maßnahmen (Leitplanken?), um entlang des Bohlwegs und des Schlossplatzes vor „islamischen Terrorakten“ zu schützen. Abgesehen davon, dass der Antrag, verknüpft mit der Unterstellung von Terror durch Mitglieder einer spezifischen Religionsgemeinschaft, meiner Meinung nach gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstößt, sind die Forderungen schon absurd. Wir werden unsere Städte nicht umrüsten und abschotten können. Ich möchte mich nicht hinter Schutzzäunen und Leitplanken verstecken.
Ich fordere vielmehr eine verbesserte Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden untereinander ein. Gemeinsamen Ermittlungen bei Europol und Eurojust sind immer noch die Ausnahme. Wir brauchen außerdem mehr Geld für die Ausbildung und Ausstattung von Polizei und Justiz. Wir stehen vor der Herausforderung, dass sich Kriminelle in weniger kontrollierbare Gegenden und Lebensbereich zurückziehen. Darauf müssen wir reagieren.
Terror trotzen – Freiheit nicht in Frage stellen
In solchen Tagen des Terrors fällt es schwer zu sagen: Jetzt erst recht! Es lebe die Freiheit und das Recht auf eine selbstbestimmtes Leben in Europa. Wir haben – Gott sei Dank – keine Angehörigen oder Freundinnen und Freunde bei Terrorakten in Madrid, London, Berlin, Kabul, Manchester oder andernorts verloren. Unser Mitgefühl sind nur ein kleiner Trost für die Hinterbliebenen.
Gleichzeitig trete ich nicht für die totale Überwachung ein. Denn echte Sicherheitsgewinne sind bisher dadurch nicht zu verzeichnen und auch die Kriminalstatistiken bleiben nahezu unverändert. Mehr Kameras und unbegründete Datenspeicherung (wer soll das alles auswerten?) bringen wenig.
Mich erfüllt es mit Respekt und Rührung, wenn tausende von Menschen dem Terror trotzen und jetzt erst Recht den menschenverachtenden Gruppen die Stirn bieten. Das Benefizkonzert „One love Manchester“ (am 4. Juni 2017) oder die kolletiven Trauermärsche und Demonstrationen stimmen mich optimistisch, dass wir unsere Freiheit gemeinsam verteidigen. Wir sehen die möglichen Gefahren. Wir lassen uns davon unsere Lebensentwürfe nicht zerstören.
Ein Beitrag von Juliane Krause.
Themenseite: Innenpolitik der Grünen Bundestagsfraktion
Jan Philipp Albrecht, MdEP (Herausgeber): Wege zu einer alternativen Sicherheitspolitik, Brüssel 2013
Jan Philipp Albrecht, MdEP (Herausgeber): Polizeiarbeit ohne Generalverdacht, Dokumentation des Grünen Polizeikongresses 2015
weitere Infos: