Google, Apple & Co treiben deutsche Automobilindustrie

Foto: smoothgroover22 ;Creative Commons Lizenz CC BY-SA 2.0

Transformation des Autos schnell und intensiv begleiten

Die Automobilindustrie steht vor einem rasanten Wandel, der nicht nur unser Mobilitätsverhalten sondern auch unsere heimische Automobilindustrie massiv verändern wird. Gewinnen und die Wertschöpfung generieren wird, wer das Copyright für das Betriebssystem der autonom fahrenden Fahrzeuge hat. Nicht der Antrieb entscheidet die Zukunft der Mobilität, sondern das Angebot an neuen Geschäftsmodellen.

Medienbranche zeigt, wie ransant der Wandel durch das Internet passiert

Kennen Sie noch Schallplatten oder Kassetten? Wenn ich mir den rasanten Wandel in der Musikindustrie der letzten 10 Jahre anschaue, dann werde ich atemlos. Ein ganzer Wirtschaftszweig hat sich neu erfunden. Mit den neuen intelligenten Technologien gibt es keine Datenträger mehr, die ich mir im Laden kaufe. Schallplatten, Kassetten, CDs gehören der Vergangenheit an. Heute wird gestreamt.

Was mit der Musikindustrie begann, setzt sich bei den Medien fort. Videokassetten oder DVD gehören bereits ins Museum. Auch hier hat das Streamen Einzug gehalten. Filme, Nachrichten und Informationen sind ständig, zeitnah und überall über das Internet verfügbar. Vorbei sind die Zeiten, an der das Volk gemeinsam vor der Glotze hing und einer großen Abendunterhaltung lauschte. Das gibt es heute höchstens noch zu Fußballspielen.

Auch vor den Printmedien macht der Wandel nicht Halt: Die Abozahlen sämtlicher Zeitungen gehen stetig zurück, junge Abonnementen sind rar. Wer Informationen sucht, findet sie im Internet und ist zunehmend bereit, dafür zu bezahlen. Diese Umbrüche haben einen gesamten Industriezweig auf den Kopf gestellt.

Viele Firmen und Jobs gibt es nicht mehr, neue sind entstanden. Was sich hier in wenigen Jahren vollzog, und Google und Co profitieren davon, zeigt sich am Horizont bereits für die Mobilität an.

Autonomes Fahren ist ein Zukunftsgeschäft

Mit Hochdruck wird am autonomen und vernetzen Fahren weltweit gearbeitet. Die Idee ist einfach und ökonomisch überzeugend: Ein Fahrzeug steuert sich selbstständig durch den Verkehr und bringt seine Insassen sicher und entspannt zum Ziel. Diese können derweilen in den sozialen Netzwerken unterwegs sein, sich informieren oder shoppen. Die Reisezeit wird zur „Eventzeit“. Aus meiner Sicht ist das einer der Hauptantreiber für Google und Co, sich so stark mit Mobilität zu beschäftigen. Google, Apple und Co machen neue Geschäftsfelder aus. Hier wird deutlich, dass das autonome Fahrzeug nicht mehr für den privaten Besitz entwickelt wird. Es wird vielmehr zu einem rollenden Vehikel, das gezielt bestellt und genutzt wird. Für die Leistung wird bezahlt. Gewinnen wird, wer den Nutzerinnen und Nutzern einen Mehrwert generiert.

Das autonome Fahrzeug wird zum Verbraucher kommen. Die Leistung wird von Tür zu Tür angeboten. Wir werden Autos nicht mehr besitzen, sondern mieten. Schon heute ist absehbar, dass immer weniger Haushalte eigene Autos besitzen werden.

Erkennbar ist, dass es auch Taxis in der heute bekannten Form nicht mehr geben wird. Die Frage ist, welche Auswirkungen diese Entwicklung auf Verkehrs- und Siedlungsplanung, aber auch auf Angebote von Bahn und Bus sowie das Fahrrad haben wird? Wie müssen sich Städte und Kommunen auf den digitalen Wandel der Mobilität vorbereiten?

Wird die deutsche Industrie mithalten?

Noch stecken die Fahrzeuge in den Kinderschuhen, viele technische Details sind noch nicht gelöst. Zugleich sind die Entwicklungsvoraussetzungen zwischen USA, Asien und Europa völlig unterschiedlich. So haben viele Staaten 1968 die Wiener Straßenverkehrskonvention unterzeichnet. Sie regelt u. a. Verkehrszeichen und die Anerkennung von Führerscheinen. Darin festgehalten ist auch, dass ein Fahrzeugführer jederzeit sein Fahrzeug beherrschen muss. Er oder sie haften als Verursacher im Falle eines Unfalls. Diese Konvention haben u. a. die USA und China nicht unterzeichnet. Deshalb sind Testfahrten von autonomen Fahrzeugen dort bereits möglich. Im Praxistest werden Erfahrungen gesammelt, die wir Europäer so nicht generieren. Sie sind für die Forschung und technische Weiterentwicklung allerdings wichtig.

Ein Ergebnis ist bereits bekannt: autonom fahrende Fahrzeuge führen zu mehr Verkehrssicherheit. Die Anzahl der Unfälle reduziert sich um ein Vielfaches. Wir Deutschen haben eine Ethikkommission eingesetzt, die u.a. die Frage klären soll, wer zukünftig haftbar bei Unfällen wird. Wichtig ist aber die Frage: darf ein Algorithmus die Entscheidung fällen, wer im unausweichlichen Gefahrenfall sterben soll oder nicht – das Kind, die Mutter oder den Großvater?

Deutsche Automobilindustrie setzte viel zu spät auf die Zukunft

Während die Deutsche Automobilindustrie mit Unterstützung der amtierenden Bundesregierung in Brüssel gegen strengere CO2 Abgasgrenzen kämpfte, steckten andere Automobilkonzerne das Geld lieber in die Forschung. Das Resultat: eine Vielzahl von Patenten für die Elektromobilität liegt nicht in den Händen der deutschen Automobilindustrie.

Foto: Energieagentur NRW, Creative Commons Lizenz CC BY 2.0; Automobilindustrie braucht schnellen WandelStatt auf neue Antriebstechniken zu setzen und hier in Forschung und Entwicklung zu investieren, wurden in Deutschland wichtige Forschungsbereiche dafür sogar runtergefahren: Lehrstühle für Elektrochemie zum Beispiel. Hier wird u. a. an Batterietechniken geforscht. Jetzt wird nachgesteuert.

Es ist seit vielen Jahren kein Geheimnis, dass es mit dem klassischen Verbrennungsmotor nicht gelingen wird, CO2 Grenzwerte von unter 90 g pro Kilometer zu erreichen. Der technische Aufwand für jedes Gramm CO2 Einsparung ist so hoch, dass es ökonomisch nicht mehr darstellbar wird. Die Fahrzeuge würden im Verkaufspreis einfach zu teuer.

In der Europäischen Union gelten ab 1.1.2021 Grenzwerte von 95 g pro Kilometer für alle neu zugelassenen Fahrzeuge. Der Abgasskandal hat die Deutsche Automobilindustrie bereits peinlich vorgeführt. Strengere und unabhängige Kontrollen sind notwendig.

Wettlauf um die Programmierung der Betriebssysteme

Was für Google die Algorithmen, sind für Computer die Betriebssysteme. Das autonome und vernetzte Fahren ist von Computern gesteuert. Sie müssen im Verkehr mit anderen Verkehrsteilnehmenden kommunizieren, Abstände berechnen, Geschwindigkeiten festlegen, Gefahren ausmachen u. v. m. Das ist die eigentliche Herausforderung für die Mobilität der Zukunft.

Eines der größten Forschungsplattformen für das autonome und vernetzte Fahren in Deutschland befindet sich in Braunschweig. Der gesamte Wilhelminische Ring ist dafür zur Forschungsstraße umgerüstet. Die Kreuzung Hagenring/Rebenring/Hans-Sommer-Straße ist eine Forschungskreuzung. Somit können hier viele Tests virtuell sowie im Praxistest erfolgen. Das Land Niedersachsen baut eine Teststrecke auf dem Autobahndreieck A2 – A39 – A7 auf. So weit, so gut.

Das Deutsche Institut für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig ist in fast in alle Forschungsvorhaben zu diesem Themenkomplex bundesweit involviert. Unabhängig vom Engagment der Forschungseinrichtung fehlt der Bundesregierung eine wirkliche Strategie. Die Industrie verliert sich im Klein-Klein technischer Lösungen. Der Bereich der Informatik ist vernachlässigt. Gerade hier müssen wir mithalten. Dafür brauchen wir die Besten der Besten.

Wir brauchen ein Gesamtkonzept

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur kommt sehr planlos daher. Deshalb wurde im letzten Jahr wurde ein Forschungsprogramm zum autonomen Fahren aufgesetzt. Was ist das Ziel? Wer soll unterstützt werden? Warum ist die Automobilindustrie nicht mit an Bord? Doch während vielerorts auf sinnvolle Projekte aufgesetzt werden könnte, baut der Verkehrsmininister nur zusätzliche Testfelder und Forschungskapazitäten in seinem Heimatland Bayern auf.

Ich sage: Wir brauchen keine nationale Plattform Elektromobilität, wir brauchen eine nationale Plattform zur Transformation der Deutschen Automobilindustrie. Und das Thema muss zur Chefsache werden. Von den großen Ankündigungen der Kanzlerin ist nichts geblieben.

Ein Beitrag von Juliane Krause

Presse

Die Zeit Online (20. Juni 2017) – Autonomes Fahren, Ethikkommission warnt vor Totalüberwachung des Menschen

Der Tagesspiegel Online (20. Juni 2017) – Autonomes Fahren, Ethik-Kommission schlägt 20 Regeln vor

Spiegel Online (20. Juni 2017) – Ethikkommission warnt vor Totalüberwachung

die tageszeitung Online (20. Juni 2017) – Regeln für den Algorithmus

Frankfurter Allgemeine Zeitung (20. Juni 2017) – Regeln für Roboterautos

Auto Motor Sport (20. Juni 2017) – Technik soll nicht über Leben und Tod entscheiden

Handelsblatt Online (19. Juni 2017) – Mit Geisterhand unterwegs

Handelsblatt Online (13. Juni 2017) – Apple gibt Einblick in sein Autoprojekt

Handelsblatt Online (13. Juni 2017) – Google holt Zweisitzer von der Straße

Weitere Infos

Agora Verkehrswende – Die Autoindustrie vor dem Umbruch

Die Nationale Plattform Elektromobilität

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: automatisiertes Fahren

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Ethik-Kommission zum autonomen Fahren legt Bericht vor

Bündnis 90/Die Grünen – Sauber Autofahren ab 2030

BTW2017 – Juliane Krause: Braunschweiger Direktkandidatin

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