Ein Kommentar von Tilman Krösche
In den USA haben die Bürgerinnen und Bürger einen Präsidenten gewählt, der nach den bekannten Maßstäben der Politik als unwählbar galt. Wie konnte es nur soweit kommen?
Eigentlich liegt die Begründung auf der Hand und wurde von den Medien bereits rauf und runter diskutiert. Die aktuelle Politik ist schlicht zu abgehoben. Sie folgt Regeln und Ritualen, die für sich genommen sinnvoll sind, aber auf die Spitze getrieben den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern verhindern. In den USA ist dieser Prozess weit fortgeschritten. Hier haben die neuen Medien sicherlich ihren Beitrag geleistet. Jeder Fehltritt wird in die Öffentlichkeit gezerrt und man traut sich kaum mehr wirklich kritische Meinungen zu äußern. Zudem werden bereits kleinere Abweichungen vom jeweiligen Mainstream als Kritik aufgefasst. Leider nützt das alles nichts. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich Politiker, denen Sie abnehmen, dass sie meinen was sie sagen. Dies lässt sich jedoch gerade dann erkennen, wenn jemand einen Fehler macht, oder eine nicht opportune Entscheidung trifft. Das der Wunsch nach „Authentizität“ schwer wiegt, kann man in Amerika beobachten. Trotz eines praktisch nicht vorhandenen Programms und seiner chronischen Lügen wurde Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt. Weil er zumindest verspricht nicht nach den üblichen Regeln zu spielen und seine Worte ganz bestimmt nicht mit Bedacht wählt. Trump ist roh, aber echt.
Der starke Wunsch nach „Authentizität“ kann in Deutschland zwar noch keine Wahl entscheiden, aber die ersten Anzeichen sind deutlich. Parteien, wie die AFD gehen mit oft einfachen Parolen und einer „Wir gegen die“ Attitüde auf Stimmenfang. Leider tun die meisten Politiker wenig dafür, diesem Problem zu begegnen. Schwer ist es allemal, wenn man seit Jahren im politischen Leben unterwegs ist. Aber es gilt auch hierzulande: Was nützt es. Wir müssen da ran.
Was bedeutet das für uns Grüne. Tja, einfach wird es eben nicht werden. Wir wollen vermeiden mit Populismus zu punkten und dazu möglichst ausgereifte Konzepte präsentieren, die nun mal kompliziert und schwer zu verkaufen sind. Ebenso nehmen wir mittlerweile hin, dass es nicht direkt eingängige Regeln im politischen Geschäft gibt, die das Funktionieren unserer Demokratie erst möglich machen. Trotzdem gibt es Hoffnung beides zu vereinen. Grüne wie Winfried Kretschmann oder Robert Habeck können hier ein Beispiel sein. Sie leisten sich vermeintliche Fehler, die Ihr wahres Wesen durchschimmern lassen und den Wählerinnen und Wählern die Bestätigung geben, dass sie den für sie richtigen Mann an Ihre Spitze gewählt haben. Gleiches mag bei den linken Grünen für Personen wie Anton Hofreiter gelten, der sich trotz des politischen Alltags treu bleibt. Solche Kandidaten müssen wir in der Partei stärker unterstützen und auch gerade, wenn das nicht immer opportun ist. Man muss sich die Unangepasstheit eben auch trauen, was jedoch nicht bedeutet, Luftschlösser weit ab von der Bevölkerung zu bauen.
Das Abwägen zwischen Unangepasstheit und rationaler Politik muss neu austariert werden. Ich hoffe, dass sich die Grünen hier einmal mehr als Vorreiter beweisen. Wir haben das schon öfter geschafft. Die grüne Urwahl bietet hierfür die nächste Möglichkeit.