Ist Gesundheit geschlechterspezifisch?! 

Internationaler Tag der Frauengesundheit

Am 28. Mai ist Internationaler Tag der Frauengesundheit. Der perfekte Anlass, um einen Blick auf das komplexe Thema zu werfen: Wo besteht Nachholbedarf und warum brauchen wir Gendermedizin?

Die Anzeichen für einen Herzinfarkt werden inzwischen auch von vielen Menschen ohne medizinische Ausbildung richtig erkannt: Starke Schmerzen in der Brust, die in den linken Arm ausstrahlen, lassen schon lange nicht mehr nur bei Mediziner*innen die Alarmglocken schrillen. Weniger bekannt ist allerdings die Tatsache, dass die Symptome eines Herzinfarktes bei Frauen häufig weniger charakteristisch sind. Wenn sie über ein Engegefühl in der Brust, Atemnot, Übelkeit und Erbrechen oder Rücken- und Oberbauchschmerzen klagen, werden die Anzeichen häufig falsch gedeutet. Eine vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung durchgeführte und von der Herzstiftung geförderte Studie zeigte, dass Frauen über 65 mit Herzinfarktsymptomen im Schnitt nach viereinhalb Stunden in die Notaufnahme kommen, während dies bei Männern gleichen Alters bereits nach dreieinhalb Stunden passiert. Frauen begeben sich im Durchschnitt erst eine ganze Stunde später in ärztliche Behandlung als Männer, obwohl ein Herzinfarkt auch für sie ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko bedeutet, bei dem jede Minute über Leben oder Tod entscheiden kann. In Deutschland sterben jedes Jahr mehr als 20.000 Frauen an einem Herzinfarkt, der damit auch bei Frauen zu den häufigsten Todesursachen gehört.

Auch in vielen anderen Bereichen der Medizin beziehen sich gewonnene Erkenntnisse auf Daten, die überwiegend von Männern stammen. Zu Frauen liegen häufig deutlich weniger Daten vor. Die sich daraus ergebende Lücke in den Daten zwischen Frauen und Männern wird als „Gender-Data-Gap“ bezeichnet. Frauen sind in klinischen Studien seit jeher unterrepräsentiert, wodurch zuverlässige Daten beispielsweise zu Nebenwirkungen oder zur richtigen Dosierung von Medikamenten für Frauen bisweilen gänzlich fehlen. Durchaus bekannt ist allerdings, dass Medikamente bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken – teilweise sogar in einem extremen Ausmaß. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Wirkweise von Medikamenten werden allerdings nicht in allen klinischen Studien explizit untersucht oder erwähnt. Nichtsdestotrotz werden schließlich auch Frauen mit Medikamenten behandelt, für deren Zulassung ein wesentlich höherer Anteil an Probandinnen hätte getestet werden müssen – diese Praxis birgt die Gefahr einer Überdosierung und unbekannter Nebenwirkungen. Hinzu kommt, dass in klinischen Studien häufig bestimmte Subgruppen von Frauen verstärkt repräsentiert werden, wie beispielsweise Frauen jenseits der Menopause oder Frauen, die hormonell verhüten, während Frauen mit natürlichem, unbeeinflusstem Zyklus seltener miteinbezogen werden.

Auch oder sogar insbesondere in Zeiten von Corona sollten Aspekte der Frauengesundheit verstärkt in den Blick genommen werden. Die Professorin für Gender Medizin an der Medizin Uni Innsbruck, Margarethe Hochleitner, macht darauf aufmerksam, dass Frauen wesentlich häufiger unter Long-Covid leiden, aber längere Reha-Aufenthalte von mehreren Wochen wesentlich weniger akzeptieren als Männer. Sie fordert, auf Frauen zugeschnittene Angebote zur Behandlung von Long-Covid zu schaffen. Neben der körperlichen stellt sie auch die psychische Gesundheit der Frauen in den Fokus, die ebenfalls unter der Pandemie leidet. Kinderbetreuung, Home-Schooling und mobiles Arbeiten stellen hier große Belastungen dar, in denen sich auch Geschlechterungleichheiten manifestieren. Aber nicht nur Frauen allgemein sind als Personengruppe in der Medizin häufig benachteiligt. Insbesondere Migrantinnen und LGBTI-Personen müssen stärker in den Blick genommen werden. Deren Behandlung stellt die Medizin und klinische Studien in ihrer Durchführung vor besondere Herausforderungen. Wir brauchen daher eine Gendermedizin, die allen Geschlechtern und Geschlechtsidentitäten gerecht wird und sie zum Maßstab macht, die Geschlechtsspezifika von der Entwicklung eines Medikaments, über die Zulassung bis hin zur Anwendung berücksichtigt und allen Menschen eine optimale Gesundheitsvorsorge und medizinische Behandlung ermöglicht!

Quellen:

https://www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzinfarkt/anzeichen/herzinfarkt-frauen-symptome

https://www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzinfarkt/anzeichen

https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/warum-frauen-medizinisch-benachteiligt-sind/

https://nachrichten.idw-online.de/2021/05/27/internationaler-tag-der-frauengesundheit-am-28-mai-wir-brauchen-auf-frauen-zugeschnittene-angebote-bei-long-covid/

https://www.swr.de/wissen/gendermedizin-klinische-studien-speziell-fuer-frauen-100.html

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