Juliane Krause – persönliche Gedanken zum Tod von Helmut Kohl

Juliane Krause, Grüne Braunschweiger Direktkandidatin zur Bundestagswahl 2017

Es lässt mich doch kurz inne halten: Helmut Kohl ist gestorben. Der Altkanzler, der mich in meiner politischen Heimat, den Grünen, sehr gefestigt hat. Es tritt ein weiterer Mensch ab, der unsere Bundesrepublik geprägt hat.

Besonders sympathisch war mir Helmut Kohl nie. Respekt habe ich dennoch vor der Person in seinen Ämtern. Es ist ein ambivalentes Gefühl für mich, an diesen öffentlichen Mann zu denken. Einerseits war Kohl für mich ein strategischer Machtpolitiker. Andererseits war er – den Medienberichten zu urteilen – ein Mensch, der sich in seinen sozialen Beziehungen selbst im Weg stand. Wenn ich heute in den Nachrichten höre, dass seine Kinder vom Tod ihres Vaters aus den Nachrichten erfahren haben, bedrückt es mich. Mein Mitgefühl gilt seiner Familie.

Helmut  Kohl hat mich im Grünen Milieu gefestigt

Ich war 30 Jahre alt, als Helmut Kohl an die Macht kam. Mein Studium und mein Referendariat in der Bezirksregierung Braunschweig lagen hinter mir. Ich war in den Vorbereitungen für eine Planungsbürogründung mit Freunden. Ehrenamtlich engagiert ich mich im braunschweiger forum, Verein zur bürgernahen Stadtplanung e.V.

Ich war froh, dass es im Deutschen Bundestag eine neue Opposition gab, die für meine Ideale und Werte einstand. Große Themen waren bereits damals die Verkehrswende, Atomausstieg, Gleichstellung von Frauen und Männern, Lesben und Schwulen. Wie können wir Radfahren, Bus- und Bahn fahren attraktiver machen, wie mit weniger Autoverkehr auskommen? An eine Energiewende war noch gar nicht zu denken. Aber die Grünen und ich warnten vor der Atomkraft. In seine Kanzlerschaft fällt die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Eine Abkehr hat das nicht für ihn und die CDU bedeutet. Das Thema Europa spielte dagegen für mich und die Grünen noch keine große Rolle. Heute wissen wir um die große Bedeutung Europas.

Ich bin Helmut Kohl nie persönlich begegnet oder habe ihn persönlich nie bei einem Auftritt erlebt. Eine aus heutiger Sicht eher amüsante Geschichte fällt mir dennoch ein. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kaiserslautern zwischen 1983 und 1989 habe ich auch studentische Projekte angeleitet. Für eine verkehrsplanerische Übung habe ich mit Studierenden in Oggersheim, dem Wohnort des Kanzlers und seiner Familie, Bestandserhebungen durchgeführt. Mehrere Tage waren wir vor Ort und kartierten, sammelten Daten. Das führte einige Wochen später zu einem Hausbesuch der Polizei in meiner privaten Wohnung. Ich war dem Staatsschutz ins Visier geraten, der meine Wohnung durchsuchte. Viel Lärm und nichts und eine Erfahrung reicher. Das war das Ergebnis.

Nach 16 Jahren Helmut Kohl kamen die Grünen in Regierungsverantwortung

Als Kanzler der Einheit wird er heute gefeiert. Ich weiß aus meiner Erinnerung, dass mir persönlich die Wiedervereinigung viel zu schnell ging. Mit dem Fall der Mauer besuchte ich mit Freundinnen und Freunden das DDR Staatsgebiet. Wir stiegen zum Brocken hinauf, fuhren nach Magdeburg.

Ich war zu der Zeit Ratsfrau im Braunschweiger Stadtrat. Es gab einen regen Austausch zur Partnerstadt Magdeburg. Politik und Verwaltung besuchten sich gegenseitig. Es war eine spannende Zeit.

Dennoch empfand ich die Wiedervereinigung damals eher als Übernahme. Die Diskussion über eine neue Deutsche Verfassung blieb aus. Dem hohen Tempo geschuldet wurden die Werte, Gesetze und Strukturen der Bundesrepublik auf die DDR „gestülpt“.

Der Tod des Altkanzlers lässt mich persönlich ein bisschen Revue passieren. Wir Grüne stellten ihm eine starke Opposition gegenüber. Uns Grüne hat er somit politisch auch geprägt. Doch wir Grüne haben uns auch weiter entwickelt, kamen im Anschluss an seine Regierung selbst in Regierungsverantwortung. Viele Themen, die damals undenkbar schienen, sind auf den Weg gebracht: Atomausstieg, Energiewende, Gleichstellung von Frauen und Männern, Vielfalt von Lebensentwürfen. So hat alles seine Zeit.

Weitere Infos:

Bündnis 90/Die Grünen – Pressemitteilung Trauer um Helmut Kohl

Stadt Braunschweig – Trauer um Altkanzler Helmut Kohl

Deutscher Bundestag – Historische Debatten: Weg zur Deutschen Einheit

BTW2017 – Juliane Krause: Braunschweiger Direktkandidatin

 

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Ein Kommentar

  1. Liebe Juliane, Liebes Julchen,
    Da sitze ich heute vor dem Frühstück und warte dass Erika endlich aufsteht und blättere durch meine Vergangenheit. Anlass ist der Besuch des 37. Braunschweig Film Festivals.
    Ich fand deine Gedanken zum Tod von Helmut Kohl toll. Du hattest für deine politische Arbeit einen tollen Aufhänger und kommst so persönlich rüber, dass ich dir hier schreibe!
    Vielleicht laufen wir uns ja in zwei Woch über den Weg!
    Alles Gute
    Hennes Wiedemann