Rede von Ministerin Gabriele Heinen-Kljajić zu „Bragida“ in Braunschweig

Die Grüne Landesministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Foto: Tom Figiel)
Die Grüne Landesministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Foto: Tom Figiel)

Am Montag, 2. Februar 2015,  hat unsere Grüne Landesministerin Dr. Gabriele Heinen-Kljajić auf dem Braunschweiger Schlossplatz zum Thema „Pegida“ / „Bragida“ gesprochen.

Dazu eingeladen hatte sie das breit aufgestellte „Bündnis gegen Rechts“, das bereits am 19. und 26. Januar 2015 überwältigend große Kundgebungen in der Innenstadt organisiert hatte.

Wir dokumentieren hier den Wortlaut der Rede von Gabriele Heinen-Kljajić (Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur):

„Liebe Braunschweigerinnen und Braunschweiger, liebe Unterstützer des Bündnisses gegen Rechts!

Wir treffen und hier zum dritten Mal, um Intoleranz, Rassismus und Islamfeindlichkeit entgegenzutreten. Es ist absolut wichtig, dass wir als weltoffenes und tolerantes Braunschweig Flagge zeigen.

Wichtig für die Zukunft ist aber auch, dass das breite zivilgesellschaftliche Bekenntnis gegen Fremdenfeindlichkeit weiter Früchte trägt, auch wenn wir uns hier montags nicht mehr versammeln.

Es wäre ein Irrglaube, zu meinen, mit dem vermeintlichen Ende der Pegida-Demonstrationen wäre das Problem aus der Welt. Aktuelle Umfragen belegen, dass fast jeder fünfte der Befragten Verständnis für Pegida hat. Und das Phänomen ist nicht neu.

Mit Pegida manifestiert sich letztlich auf der Straße, was Demoskopen schon lange messen. Die Mischung aus Mitgliedern der rechtsradikalen Szene, rechten Hooligans, Verschwörungstheoretikern und Menschen, die mit dem Gefühl diffuser Benachteiligung unterwegs sind.

Diese Mischung ist gefährlich, weil sie mit einem radikal vereinfachten Weltbild und himmelschreiender Faktenresistenz leider bei vielen Menschen Gehör findet.

Sie bedient weitverbreitete Feindbilder und Vorurteile, und befeuert Ressentiments, die den sozialen Frieden in unserer Einwanderungsgesellschaft gefährden.

Umso wichtiger ist es, eine Gegenöffentlichkeit zu organisieren. Und umso wichtiger ist es, dass alle demokratischen Parteien der Versuchung widerstehen, durch Bedienen dieser Ressentiments auf Stimmenfang zu gehen.

Wir brauchen endlich einen politischen Minimalkonsens, der zu einer Willkommenskultur gegenüber Einwanderern steht, der zu einer humanen Flüchtlingspolitik steht und der anerkennt, dass Integration nicht nur eine Bringschuld der Migranten ist, sondern auch die Aufnahmegesellschaft in die Pflicht nimmt.

Nur so wird es gelingen, langfristig der latenten Fremdenfeindlichkeit in unserem Land Paroli zu bieten.

Deutschland ist ein Einwanderungsland, das 16,6 Millionen Migranten, davon 4 Millionen Muslime, ihre Heimat nennen, in der sie leben, arbeiten und Steuern zahlen und in der ihre Kinder zur Schule gehen.

Und wir werden mehr Einwanderung brauchen, um Probleme wie den Fachkräftemangel und die Sicherung der Sozialsysteme für die Zukunft zu lösen.

Je bunter, je toleranter und je offener eine Gesellschaft ist, umso kreativer und attraktiver ist sie.

Es wird jetzt viel darüber geredet, ob man mit den Mitläufern von Pegida reden müsse, denn die seien ja nicht alle rechtsradikal. Das mag sein, und natürlich muss man Menschen zuhören, das ist schließlich die Aufgabe von Politik.

Aber die, die sich jeden Montag Gehör verschaffen wollen, müssen sich auch fragen lassen, welchen Fahnen und welchen Parolen sie da hinterherlaufen.

Die Pegida-Demonstrationen sind jedenfalls keine Basis für den Dialog.

Es ist vollkommen legitim, Angst vor Islamismus zu haben. Aber Islam und Islamismus gleichzusetzen ist infam.

Wer dieser Angst mit blindem Fremdenhass begegnet, will entweder zündeln oder hat nicht begriffen, dass man Fanatismus nicht mit Fanatismus bekämpfen kann.

Das Thema Islamismus ist eines, dem wir als Gesellschaft nur gemeinsam mit allen zivilgesellschaftlichen Kräften, und damit selbstverständlich auch mit den in Deutschland lebenden Muslimen, werden entgegentreten können. Das Phänomen des Islamismus ist global, aber es ist längst kein Thema mehr, das uns nichts anginge.

Wir als Aufnahmegesellschaft müssen uns fragen, wieso sich junge Menschen derart ausgegrenzt fühlen, dass sie unsere westliche Demokratie und unser liberales Gesellschaftsmodell zum Feindbild erklären. Unsere muslimischen Mitbürger müssen sich in ihren Gemeinden fragen, wie es sein kann, dass junge Muslime in Deutschland derart radikalisiert werden können.

Diese Aufgabe können und wollen wir nur aus dem Grundverständnis heraus lösen, dass wir eine Gesellschaft sind. Diese Versammlung hier heute Abend sendet auch das Signal aus, dass wir uns in Braunschweig nicht auseinanderdividieren lassen.

Wir treten hier als Christen, Humanisten, Juden, Muslime und Vertreter welcher Religion auch immer gemeinsam gegen Rassismus, Fanatismus und Islamfeindlichkeit an.

Hier stehen die Vertreter eines weltoffenen Braunschweigs, das offen ist für Flüchtlinge und das Menschen anderer Kulturen, Hautfarben oder Religionen willkommen heißt.

Nicht die zunehmende Zahl von Flüchtlingen in Deutschland ist der politische Skandal, sondern dass Tausende von ihnen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken, das ist ein Skandal!

Und dass es Bürger in unserem Land gibt, die mit dem Bau von Flüchtlingswohnheimen in ihrem Viertel den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören, das ist ein Skandal!

Dem dumpfen Heraufbeschwören einer angeblichen Überfremdung rufen wir entgegen:

Keine Toleranz gegenüber Intoleranz!

Dafür werden wir hier als wehrhafte Demokraten immer wieder antreten, solange es nötig ist!“

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Ein Kommentar

  1. Gut gemacht, Gabriele! Da stimmt jede Nuance!

    Wenn schon was zum Text, dann: Noch öfter als das Wort Fremdenfeindlichkeit positive Wörter benutzen wie Willkommenskultur, Zusammenstehen für offene Gesellschaft, friedlichen Austausch und Kooperation und wechselseitiges Verstehen und Helfen…!

    Alle guten Wünsche!

    Richard